The Outrun
Nora Fingscheidt, GB, Deutschland, Spanien, 2024o
Mit Anfang dreissig spült das Leben Rona zurück an den Ort ihrer Kindheit – die Orkneyinseln, wohl die abgelegenste Region Schottlands. Während sie sich wieder mit der spektakulären Landschaft vertraut macht, vermischen sich ihre Kindheitserinnerungen mit dem schmerzhaften Absturz eines exzessiven Lebens in London. Im Archipel von wilder Schönheit muss Rona lernen, sich selbst neu zu entdecken.
Nach ihrem Biologiestudium und einer problembehafteten Zeit in London kehrt Rona auf die Orkney-Inseln im äussersten Norden Schottlands zurück, wo sie aufgewachsen ist. Trotz der harten Arbeit bei ihrem Vater, einem Schafzüchter, beherrschen die Erinnerungen die 29-Jährige. Sie, die so sehr von Freiheit geträumt und das Feiern geliebt hatte, hat dafür einen hohen Preis gezahlt. Sie ist in die Alkoholabhängigkeit abrutscht und hat eine grosse Liebe verloren. Kann man sich davon erholen? The Outrun basiert auf den Memoiren von Amy Liptrot, die 2016 zum Bestseller wurden, und ist ein Film, der sich der tückischen Kategorisierung als Kunst- oder Unterhaltungskino entzieht. Hierfür bedurfte es der Deutschen Nora Fingscheidt, der Autorin des erstaunlichen Films Systemsprenger (2019). Was ein bleiernes Drama hätte werden können, wandelt sich in ihrer dynamischen Regie zu einem packenden Erlebnis, wobei eine bemerkenswerte Tonarbeit den Hang zur Überzeichnung ausgleicht. In der Irin Saoirse Ronan hat ddie Regisseurin zudem die ideale Darstellerin gefunden, die alle Zustände ihrer Figur glaubwürdig verkörpert. „Ich glaube nicht, dass ich nüchtern glücklich sein kann“, resümiert Rona gegenüber den Anonymen Alkoholikern. Dennoch trifft sie die richtige Wahl, als sie sich entschliesst, sich auf der entlegenste Insel des Archipels für den Schutz bedrohter Arten einzusetzen. Die Abgeschiedenheit und die Magie des Ortes ermöglichen es ihr, sich mit ihrer Vergangenheit zu versöhnen und sich ihrer Schwächen bewusster zu werden. Aus dieser Entwicklung resultiert einer jener Filme, die der Intimtät einen Echoraum geben und umso wertvoller erscheinen.
Norbert Creutz