A House of Dynamite
Kathryn Bigelow, USA, 2025o
20 Minuten bis zum Desaster: von Unbekannten wird ein Atomangriff auf die USA gestartet. Im Weissen Haus beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um die Angreifer ausfindig zu machen und die möglichen Szenarien auszutarieren.
Die grosse Rückkehr von Kathryn Bigelow, acht Jahre nach dem unverdienten Misserfolg von Detroit, ist eine prestigeträchtige Netflix-Produktion, die etwas grosszügig in den Wettbewerb der Mostra von Venedig aufgenommen wurde. Man erkennt darin auch die Grenzen der Autorin, die 2010 mit The Hurt Locker als erste Regisseurin überhaupt den Oscar fur den besten Film gewann. Was sich als ultimativer Thriller präsentiert, der vor dem global prekären nuklearen Gleichgewicht warnt, ist immerhin von ausgezeichneter handwerklicher Qualität. Die Idee ist einfach: Wie reagieren die Behörden, wenn eine Rakete aus dem Nichts im Pazifik auftaucht, in Richtung Nordosten der USA fliegt und von amerikanischen Radarsystemen entdeckt wird? Die grösste Originalität der Erzählung besteht darin, dass derselbe Zeitabschnitt dreimal aus unterschiedlichen Blickwinkeln gezeigt wird: von der Basis in Alaska aus, die das Flugobjekt entdeckt und abzufangen versucht, über den Präsidenten (Idris Elba, nicht Donald Trump), der über die Reaktion entscheidet, bis hin zu allen Verantwortlichen, die die Krise aus nächster Nähe verfolgen und versuchen, herauszufinden, woher der Angriff kommt und was sein Ziel ist. Muss man sechzig Jahre nach Stanley Kubricks Dr. Strangelove und Sidney Lumets Fail Safe, dem berühmten Doppelpack von 1964, das den Höhepunkt der Atomangst nach der Kubakrise markierte, diese in den Hintergrund getretene Bedrohung wirklich wieder aufleben lassen? Wenn man diesen ungemein ernsten, etwas mechanischen und nicht allzu glaubwürdigen Film sieht, kann man daran zweifeln. Um ihre Karriere zu krönen, hat sich Kathryn Bigelow, nachdem sie lange um dieses Thema herumgetanzt hatte, vor allem den «Präsidentenfilm» gegönnt, der noch in ihrer Filmografie fehlte. Wenn die inspirierte Regisseurin von Point Break und Strange Days nun einer einfachen, hocherfahrenen Spezialistin für Hollywood-Spektakel Platz gemacht hat, dann ist das eben so.
Norbert CreutzGalerieo



