Typhoon Club
Shinji Sōmai, Japan, 1985o
In einem Vorort von Tokyo sollten die Schüler:innen für den Übertritt in die Oberstufe büffeln, während ein Taifun heraufzieht. Doch zwei Mädchen sind mit ihrer ersten Liebe, eine Junge mit Sein oder Nichtsein, eine Ausreisserin mit der Grossstadt, andere mit ihren Stimmungswechseln weit mehr beschäftigt, und alle zusammen bringen den junge Mathelehrer – Vorbild oder Graus? – an seine Grenzen. Als der Sturm losbricht, eskalieren die Dinge.
Die Impressionisten schufen Stimmungen von zeitloser Intensität, indem sie die scharfen Konturen der Dinge in einem Meer von Farben auflösten. Der Japaner Shinji Somai, der 24 Jahre nach seinem frühen Tod im Westen erst gerade entdeckt wird, erzielt die gleiche Wirkung, indem er nuancierte Figuren und überraschungsreiche Szenen mit losen erzählerischen Konturen hintupft. Seine Teenagerstudie Typhoon Club wurde 1985 zwar in offensichtlicher Anlehnung an die damals erfolgreiche amerikanische Highschool-Komödie The Breakfast Club benannt und handelt im Kern genau wie diese von einer Handvoll Schüler:innen, die in ihrem Schulhaus festsitzen. Ansonsten aber ist dies das pure Gegenteil eines Teeniefilms nach Schema X. Bei Somai sind die Kids, die in einem ländlichen Vorort von Tokyo für den Übergang an die Highschool-Oberstufe büffeln und sich für alles andere im Leben ungleich mehr interessieren, Wundertüten. Sie selber wissen nicht, wie ihnen geschieht, wenn etwa eine Mädchenclique schon in der Eröffnungs-Sequenz den Klassenclown beim heimlichen nächtlichen Schwimmbad-Happening versehentlich schier ertränkt. Gleich unberechenbar, für jede Anwandlung offen und den Stimmungen wehrlos ausgesetzt, agieren sie später im Klassenzimmer und bringen den jungen, von ersten faulen Kompromissen mit dem Leben gezeichneten Mathematiklehrer an seine Grenzen, während sich die Anzeichen eines heraufziehenden Taifuns verdichten. Der Taifun steht für den Sturm der Jugend, die jederzeit alles mit allen machen kann, und Somai inszeniert dies in Bildern von so schlagender Originalität und buchstäblicher Tiefenwirkung, dass man den Film gleich nochmals sehen möchte, wenn er endet. 40 Jahre alt und taufrisch: Meisterschaft kennt kein Alter.
Andreas Furler