Mar adentro
Alejandro Amenábar, Spanien, 2004o
In seinen Gedanken ist Ramón immer noch jung, agil und bei den Frauen beliebt. Doch die Realität ist bitter, ist der hochintelligente Mann doch seit einem Badeunfall vor 26 Jahren vom Hals abwärts gelähmt. Schon lange will er sterben. Doch dazu würde er Hilfe brauchen, die ihm der Staat, die Kirche und sogar der eigene Bruder versagen, in dessen Haus er lebt und aufopferungsvoll von seiner Schwägerin gepflegt wird. Erst als die lebenslustige Anwältin Rosa auf de Plan tritt, rückt sein Wunsch in greifbare Nähe. – Nach wahren Begebenheiten.
Vom Hals an gelähmt, ist Ramón (Javier Bardem) ans Bett gefesselt und so vollkommen abhängig von der Familie seines Bruders, die ihn umsorgt. Es bleiben ihm nicht viel mehr als Musik, Gespräche, das Schreiben von Gedichten (mit einem Hilfsgerät) – und seine Gedanken, die ihn immer wieder ans Meer fliegen lassen, dorthin, wo er vor 26 Jahren einen verhängnisvollen Badeunfall erlitt. Ramon will unbedingt sterben, weil er sein hilfsbedürftiges Leben als unwürdig empfindet. Also kämpft er für die Legalisierung der Sterbehilfe, auch medial und vor Gericht, mit Hilfe von Freunden und einer Anwältin (Belén Rueda), in die er sich fast verliebt. Für ihn ist das eine Frage von Selbstbestimmung und persönlicher Freiheit und somit ein Grundrecht, das ihm der Staat (und die Kirche) vorenthalten. Das auf der Geschichte des Galiciers Ramón Sampedro basierende Drama von Alejandro Amenábar (The Others) bewegt aus verschiedenen Gründen. Zum einen stattet Javier Bardem seinen tapferen Helden mit Charme, Humor und Schlagfertigkeit aus. Weil Ramón von empathischen Menschen umgeben ist, wirkt sein unbedingter Todeswunsch aber auch verstörend. Der Komplexität der Fragen wird der Film auch deshalb gerecht, weil Zweifel darin Platz hat. So ist Mar adentro mehr als ein filmisches Plädoyer für Sterbehilfe und Menschlichkeit. Es erzählt anschaulich von der Dialektik von Leben und Tod – und von der Trauer der Zurückbleibenden.
Kathrin Halter