Das wandelnde Schloss
Hayao Miyazaki, Japan, 2004o
Die junge Hutmacherin Sophie lebt in einer idyllischen Kleinstadt zwischen Tradition und Moderne, als sie dem Zauberer Hauro begegnet, der ihr galant den Hof macht. Eine eifersüchtige Hexe verwandelt Sophie in eine alte Frau und zwingt sie ins Exil, wo sie als Putzfrau in einem wandelnden Schloss unterkommt. Es wird von einem gefangenen Dämon angetrieben und gehört Hauro, der ihr gegenüber aber kalt und abweisend bleibt. Nach und nach erfährt Sophie die Zusammenhänge zwischen den magischen Wesen – und die erlösende Kraft der Liebe.
Das titelgebende Gebäude, das in diesem Anime auf wackligen Stelzen durch frühmoderne europäische Landschaften wandelt, ist weniger ein Schloss als ein unförmiges Ungetüm, zusammengeflickt aus ausrangierten Industriemaschinen, Fabrikschrott und Arbeiterhäuschen, mit Zauberei zum Leben gebracht. Eine Metapher für den Film selbst, könnte man witzeln, und sein Regisseur würde es als das Kompliment verstehen, als das es gemeint ist. Was heisst es schon, wenn «Das wandelnde Schloss» von Hayao Miyazaki, dem unbestrittenen Meister des japanischen Animationsfilms, in Sachen Imaginationskraft und mythopolitischer Komplexität nicht ganz an die Vorgängerfilme Prinzessin Mononoke (1997) und Chihiros Reise ins Zauberland (2001), heranreicht? Nichts Relevantes. Wie alle Filme aus dem Studio Ghibli ist Das wandelnde Schloss ein Kinderfilm – doch nicht in dem Sinne, dass er für Kinder gemacht wäre, sondern dass aus seiner Perspektive die Welt immer noch magisch erscheint (und dass sie auch noch zu retten wäre). Dabei ist er düsterer, als man es sich vom Genre gewohnt ist. Entstanden während der Irakinvasion von 2003 und beseelt von Miyazakis Wut darüber, spielt die Geschichte während eines Krieges zwischen zwei Königreichen, die Schwärme von Steampunk-Bombern auf die gegnerischen Bilderbuch-Städte loslassen. Umso wirkungsvoller geraten die hellen Momente: die wohlwollende, mitfühlende Auseinandersetzung mit dem Altern etwa, wenn die junge Protagonistin und Hutmacherin Sophie von der bösen Hexe aus dem Niemandsland in eine alte Frau verwandelt wird und damit, abgesehen von den üblichen Gebrechen, gar nicht so unzufrieden wirkt, oder wenn der besagten Hexe nach deren Unschädlichmachung ein Platz in der wandelnden Schloss-Wohngemeinschaft zugestanden wird. Das Böse ist bei Miyazaki nie etwas Individuelles ist, sondern die Folge menschlicher Schwächen und unmenschlicher Systeme, gegen die auch die mächtigsten Feuerdämone nichts ausrichten können.
Dominic Schmid